Mit einem Geleitwort von Detlef Bald und einem Nachwort von Helmut Donat
(= Schriftenreihe Geschichte & Frieden, Bd. 40)
Luthers starker Auftritt vor dem Reichstag in Worms zählt zu den Lichtblicken der deutschen Geschichte. Mit Blick auf den damit verbundenen Gründungsmythos des Protestantismus verordnet die Evangelische Kirche in Deutschland eine ideologieüberfrachtete Perspektive: „Luthers grundsätzlicher Überlegung entspricht die moderne Verfassungsgestalt des demokratischen Rechtsstaates.“ Luther soll also, ein paar Jahrhunderte vor der Erklärung der Menschenrechte, die Demokratie erfunden haben!? Richtig ist vielmehr: Die Reformation ging mit einer Nationalisierung des Religiösen einher. Preußen war das erste protestantische Territorium und umgab sich durch seine willfährigen Geschichtsschreiber und -theologen mit dem Mythos vom Reich der Gottesfurcht und der frommen Sitten. Wer jedoch genau hinschaut, der erkennt wie Jakob Knab, in welchem Ausmaß sich das Luthertum in das Schlepptau des Bündnisses von „Thron und Altar“ nehmen ließ, sich dem Hohenzollernreich und dessen Eliten willfährig unterwarf, die Armen und Verfolgten preisgab und die christliche Botschaft dem Interesse der Herrschenden auslieferte. Entgegen solcher, bis in unsere Tage hinein reichenden Schönrednerei und Weichspülung von historischen Fakten und Zusammenhängen, widerlegt Knab den Slogan von „Preußens Ruhm und Deutschlands Ehre“ und zeigt die Verpreußung der deutschen Geschichte auf. Er entlarvt die Kriegspredigten Friedrich Schleiermachers und deren Stoßrichtung als Streben nach nationaler Größe, führt die kriegstreiberische Verherrlichung Luthers und Hindenburgs im Ersten Weltkrieg vor Augen und erörtert, warum das völkisch-protestantische Großmilieu so offen und empfänglich für die nationalsozialistische Politik und Weltanschauung gewesen ist.
Wie kein anderer Autor im „Luther-Jahr“ geht Knab der vielfach verdrängten Frage nach, warum das Judentum gerade im Kernland der Reformation weitgehend vernichtet worden ist. Da er zwischen „history“ und „memory“ unterscheidet, stellen seine geschichtspolitischen Streifzüge im Sinne der historischen Friedensforschung einen bedeutsamen Beitrag zur Aufklärungs- und Bildungsarbeit dar.
304 Seiten, Hardcover