Der Erste Weltkrieg und die deutsche Mentalität (1871-1921)
Hrsg. von Helmut Donat/Adolf Wild
(= Schriftenreihe Geschichte & Frieden, Bd. 6)
Hellmut von Gerlach (1866-1935) wandelte sich vom Antisemiten und Erzkonservativen zum Kämpfer für Frieden und Recht, für Demokratie und Freiheit - gegen Krieg und Gewalt. Für Carl von Ossietzky war er das große Vorbild. Als einer der bedeutenden linksliberalen Journalisten und Politiker deutscher Herkunft wirkte Gerlach für eine Aussöhnung mit Polen und Frankreich. Er stritt gegen den Revanchegeist und trat für republikanische und pazifistische Ideen ein.
Seine Schilderung der während des Ersten Weltkriegs in Deutschland vorherrschenden Atmosphäre und Mentalität zeigt das weit gespannte Lügennetz auf, von dem große Teile des Volkes erfaßt waren. Greuelpropaganda, Englandhaß, nationalistische Großmannssucht, die Kriegspropaganda der Theologen, Schriftsteller und Professoren, die Haltung der Sozialdemokratie und die Unterdrückung kritischer Positionen durch die Zensur- und Militärbehörden werden von Gerlach ebenso beschrieben wie die Verfolgung der Pazifisten und ihrer Organisationen, die annexionistischen Forderungen von Alldeutschen bis zu Frauenvereinigungen, die lügenhafte Politik verantwortlichen Regierungspersonals und die Siegestrunkenheit der Stammtischstrategen. Alltagserlebnisse verknüpft Gerlach in einer erfrischenden Weise mit historischen Ereignissen und Entscheidungen, so daß selbst heutige LeserInnen noch den Eindruck gewinnen, das alles sei erst gestern geschehen. Ein Buch, das Regalwände ersetzt.
198 Seiten, 1 Abbildung